Tee begleitet uns als täglicher Wachmacher, Gesundheitselixier und Genussmittel. In der Schweiz und in Europa ist er seit Jahrhunderten Handelsware und Kulturgut zugleich. Doch wie unterschiedlich präsentiert sich der Teemarkt in der Eidgenossenschaft im Vergleich zum restlichen Europa? Wir blicken auf Handelsströme, Verbrauchsgewohnheiten, Marktakteure und aktuelle Trends – und entdecken, warum Schweizerinnen und Schweizer hier ihre ganz eigene Note einbringen.
Import und Export: Die Schweiz als Knotenpunkt
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Importvolumen
Die Schweiz bringt jährlich rund 6 000–7 000 Tonnen Tee ins Land, was einem Wert von etwa 36–37 Millionen CHF entspricht. Hauptlieferanten sind neben klassischen Produzenten wie Indien und China vor allem afrikanische Staaten (allen voran Kenia und Malawi) sowie Deutschland als Handelsdrehscheibe. -
Re-Export
Knapp 27 Millionen USD Tee verlassen die Schweiz in veredelter Form, z. B. als Mischungen oder Extrakte für Teemaschinen. Grossbritannien und Frankreich zählen zu den grössten Abnehmern, gefolgt von Deutschland und kleineren Nachbarländern.
Die Eidgenossen fungieren also nicht nur als Endverbraucher, sondern auch als Umschlagplatz für internationale Tee-Profis.
Teekonsum pro Kopf: Gemächlicher Genuss versus Teelust
Europa zeigt breite Unterschiede: Während Britinnen und Briten mit rund 1,9 kg pro Kopf im Jahr und die Iren sogar mit über 2 kg Spitzenreiter sind, konsumiert die durchschnittliche Schweizerin bzw. der Schweizer lediglich etwa 0,8 kg.
Ein wichtiger Unterschied: In der Schweiz werden Kräuter- und Früchtetees oft zur Kategorie „Tee“ gezählt. Rund 60 % aller Tassenentfällt hierauf, nur 40 % sind Schwarz- oder Grüntee. Weltweit liegt das Verhältnis umgekehrt. Kombiniert man alle Infusionen, kommt jede Person in der Schweiz auf etwa 160 Tassen pro Jahr. Der Konsum wird zudem von Frauen und älteren Altersgruppen getragen: Sie trinken im Mittel deutlich mehr Tee als junge Erwachsene und Männer.
Wer dominiert den Markt?
Grossverteiler
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Migros hält etwa 40 % Marktanteil im Lebensmitteleinzelhandel,
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Coop rund 15 %,
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Lipton (Unilever) etwa 20 %.
Diese drei Akteure kontrollieren rund drei Viertel der Handelsmenge. Neben günstigen Beuteltees bieten sie Bio- und Wellness-Linien an.
Importeurinnen und Veredler
Traditionsreiche Firmen wie die London Tea Company importieren Rohtee, mischen und verpacken für Supermärkte, Gastronomie und den Export. Auch Apothekenhersteller produzieren Heil- und Kräutertees auf industrieller Basis.
Spezialgeschäfte und Online-Händler
Lose Blattmischungen, rare Oolongs und exklusive Erntelagen findet man in Teeläden wie Tekoe (Lausanne, Zürich) oder Länggass-Tee (Bern). Diese Boutiquen setzen auf persönliche Beratung, Degustationen und Storytelling. Online-Shops erweitern das Angebot noch weiter.
Tee zu Hause und unterwegs
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Privater Konsum: 92 % des Teeverbrauchs erfolgen daheim.
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Gastronomie: Nur knapp 8 % entfallen auf Cafés und Restaurants, wo Kaffee klar dominiert.
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Teebars und Bubble-Tea-Shops: In Städten entstehen neue Konzepte, die losen Blatttee, Chai Latte oder Matcha-Drinks in entspannter Atmosphäre servieren. Diese Trend-Lokale sprechen besonders jüngere Kundinnen und Kunden an.
Eistee-Boom: Schweizer Vorreiter
Während klassischer Tee moderat wächst, erlebt der Eistee-Absatz in der Schweiz ein beispielloses Hoch:
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29 Liter Eistee pro Kopf jährlich – europaweit Spitze.
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217 Mio. Liter wurden 2021 verkauft, erzielten einen Umsatz von rund 250–300 Mio. CHF.
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Die Marken Migros Ice Tea, Lipton Ice Tea und Nestea teilen sich den Löwenanteil.
Eistee prägt die Regale und Trinkgewohnheiten vor allem im Sommer, gewinnt aber zunehmend auch im Winter Anhänger.
Trends und Teekultur
Gesundheit und Wellness
Kräuter- und Früchtetees verkaufen sich dank ihres Wellness-Images bestens. Detox-, Relax- und Energie-Mischungen sind fest im Sortiment, Functional Teas mit Superfood-Zutaten erobern den Markt.
Premiumisierung
Beuteltees haben an Ansehen verloren, hochpreisige lose Blattqualitäten boomen. Kundinnen und Kunden legen Wert auf Blattgrad, Erntezeitpunkt und Transparenz bei Anbau und Verarbeitung.
Exotische Spezialitäten
Matcha, Oolong-Feinheiten, Chai Latte und Kombucha inspirieren auch klassische Teehändler. Social Media befeuert die Entdeckung neuer Zubereitungsarten und Rezepte.
Soziale Treffpunkte
Teebars, Afternoon-Tea-Events und Workshops verbinden Genuss mit Erlebnis. Sie stärken die Gemeinschaft und machen Tee für ein junges Publikum attraktiv.
Schweizer Eigenheiten im Überblick
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Hoher Kräutertee-Anteil
Regale voller Alpenkräuter-Infusionen, lokal angebaut und bio-zertifiziert. -
Bio & Fairtrade
Ein Grossteil der Fairtrade-Tees in der Schweiz trägt auch Bio-Siegel – ein Spitzenwert in Europa. -
Regionalität
Kooperationen mit Bergkräuter-Bauern: Pfefferminze, Melisse und Lindenblüten kommen aus heimischer Berglandwirtschaft. -
Preisniveau
Verbraucher zahlen im Durchschnitt rund 95 CHF pro Kilo – deutlich mehr als in den Nachbarländern. -
Kleiner, stabiler Markt
Absolute Abnahmemengen sind überschaubar, die Nachfrage jedoch konstant und qualitätsorientiert. -
Eistee-Phänomen
Das einzige Segment, in dem die Schweiz europaweit ganz vorne liegt.
Fazit
Die Schweiz mag mengenmässig kein Riese auf dem Teemarkt sein, doch sie punktet mit Vielfalt, Qualität und Innovationskraft. Kräuter- und Früchtetees, Bio-Labels, regionale Alpenkräuter und ein unangefochtener Eistee-Boom zeichnen den heimischen Markt aus. Grosse Detailhändler dominieren das Grundsortiment, während spezialisierte Teeläden und Online-Plattformen hochwertige Genusserlebnisse bieten. Im europäischen Vergleich spielt die Schweiz eine kleine, aber feine Rolle: Sie kombiniert traditionelle Handelsstrukturen mit modernen Lifestyle-Trends und hat damit eine Teekultur entwickelt, die in ihrer Vielfalt und Wertschätzung einzigartig ist.
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